Mittwoch, 16. Januar 2013

Kapitel 2: Alltag


"Warum warst du zu spät?"
Gedankenverloren stocherte ich in meinem Salat herum. Der Dressing ertränkte die Gurken, Salatblätter, Möhren, Bohnen und Maiskörner. Ich hätte mir mein Geld dafür sparen können.
"Anzu?" Ich zuckte leicht zusammen und sah meine Freundin an. Sie hieß Sina und war im Gegensatz zu mir eine echte Frohnatur, eine Sportskanone und leidenschaftliche Vegetarierin. Aber wenigstens hatte sie es aufgegeben ihre Umgebung zu bekehren. Sie hatte kinnlange blonde Haare und blaugraue Augen, war einen Monat älter als ich und bildete sich auf den kurzen Altersunterschied ganz schön viel ein.
Ob ich mir stattdessen einfach ein Putensandwich holen sollte?
"Also warum warst du zu spät?", wiederholte sie ihre Frage. Ich verzog meine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln und zwang mich, zumindest eine Gabel von dem Salat zu probieren.
"Hallo, ich reeede mit dir!"
Sina war ein klasse Mädchen nur manchmal konnte sie echt nervig sein. "Du hast wieder hyperventiliert oder?" Ihr Ton wirkte anklagend aber natürlich auf ihre typische Weise besorgt. Manchmal bereute ich es, ihr etwas von meinen Attacken erzählt zu haben, obwohl sie eigentlich meine beste Freundin war. Besonders wenn der Tag für mich mal wieder schlecht begonnen hatte.
"Ja, ich hab wieder hyperventilliert. Zufrieden?", schnauzte ich sie augenrollend an. Sina zuckte nicht mal mit der Wimper. Sie war es gewöhnt. "Nein, nicht zufrieden", sagte sie ruhig. "Es ist auch nicht so, als wär ich sooo scharf darauf diese Attacken zu haben", murmelte ich und stocherte weiter in meinen Salat.
Sie wandte sich ab und aß ihren Salat. Sie hatte extra ohne Dressing bestellt und ihr eigenes draufgetan. Das war ziemlich klug. Ich schob meinen Teller vor mich.
"Willst du meinen Salat?", fragte ich. Sina rümpfte die Nase. "Nein", antwortete sie. Ich grinste leicht. "Gut dann hol ich mir kurz noch was, ja?"
Ohne eine Antwort abzuwarten nahm ich den Teller samt Tablett um ihn zur Tablettabgabe zu bringen. Dann ging ich wieder zur Verkaufstheke der Kantine und bestellte ein Putensandwich. Auf dem Weg zurück umarmte mich auf einmal jemand von hinten. Fast hätte ich mein Essen fallen lassen.

"Guten Morgen Prinzessin", murmelte eine vertraute Stimme hinter mir. Ich wurde rot und sah Tom ins Gesicht. Sein unverkennbares Grinsen stimmte mich glücklicher. "Moin", murmelte ich. Er gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Ich wurde wahrscheinlich noch röter. Ich konnte mich immer noch nicht wirklich daran gewöhnen, wenn mich  Tom.
Ich setzte mich. Tom setzte sich neben mich. "Naaaa holder Ritter, hast du etwa das Gemüt unserer Prinzessin gebessert?", scherzte Sina grinsend. "Ach halt die Klappe", sagte ich scherzhaft maulig. Wenn Tom in der Nähe war, war meine Laune immer um einiges gebessert.
Ich biss in mein Sandwich. Eindeutig besser. Ich lächelte Tom an. Er grinste zurück. Wir waren erst drei Wochen zusammen und kannten uns seit der neunten Klasse, als er auf unsere Schule kam. Zuerst wurden wir gute, dann beste Freunde, dann seit kurzem nun mal auch feste Freunde.
Er nahm meine eine Hand und ich aß weiter. Aber Hunger hatte ich eigentlich keinen mehr.